Was ist Urkorn oder Urgetreide?

Wenn wir heute vom „Urkorn“ sprechen, meinen wir mehr als nur eine nostalgische Getreidesorte. Urgetreide steht für natürliche Vielfalt, für Ursprünge der Landwirtschaft, für Geschmack mit Geschichte – und für eine bewusste Entscheidung gegenüber hochgezüchteten Hochleistungsgetreiden. Aber was genau ist Urkorn? Und warum gewinnt es aktuell wieder so stark an Bedeutung?

Die Definition von Urgetreide

Als Urkorn oder Urgetreide werden Getreidearten bezeichnet, die seit Jahrtausenden in ihrer Ursprungsform erhalten geblieben sind. Sie wurden kaum oder gar nicht züchterisch verändert und unterscheiden sich daher genetisch und strukturell von modernen Hochleistungssorten wie dem heutigen Weizen. Beispiele dafür sind Einkorn, Emmer, Dinkel, Khorasan (oft unter dem Markennamen Kamut® bekannt) sowie alte Roggensorten wie der Waldstaudenroggen

Urkorn ist also kein offizieller wissenschaftlicher Begriff, sondern eine populäre Bezeichnung für Getreide, die sich durch ihre Ursprünge, ihre Robustheit und ihre überlieferte Anbauweise auszeichnen.

Ein Blick zurück: Die Geschichte des Urkorns

Die Geschichte des Getreideanbaus beginnt vor etwa 10.000 Jahren im sogenannten Fruchtbaren Halbmond – einem Gebiet, das heute Teile der Türkei, Syriens, Iraks und des Irans umfasst. Dort begannen frühe Zivilisationen, Wildgräser wie Einkorn und Emmer zu kultivieren. Diese Getreidearten gelten als die ältesten Kulturpflanzen der Menschheit.

Über Jahrtausende hinweg wurden sie angebaut, geerntet und weitervermehrt – ohne nennenswerte züchterische Eingriffe. Erst in der Neuzeit, besonders seit dem 20. Jahrhundert, wurde intensiver in die Zucht von Getreide eingegriffen, um höhere Erträge, besseren Maschinenanbau und standardisierte Eigenschaften zu erzielen. Dabei gerieten die Urformen in Vergessenheit.

Heute erleben sie eine Renaissance. Warum? Weil immer mehr Menschen sich fragen, was in ihrem Brot steckt – und ob weniger Zucht nicht manchmal mehr Qualität bedeutet.

Typische Vertreter von Urgetreide

1. Einkorn (Triticum monococcum)Einkorn ist die älteste bekannte Getreideart. Es enthält besonders viel Protein, Lutein (ein antioxidativer Pflanzenstoff) und ist durch seine zarte Textur sehr beliebt in feinen Backwaren.

2. Emmer (Triticum dicoccum)Etwas robuster als Einkorn, mit einem leicht nussigen Geschmack. Emmer liefert viel Magnesium und Zink und eignet sich hervorragend für Pasta oder dunkles Brot.

3. Dinkel (Triticum spelta)Als „Bruder des Weizens“ gilt Dinkel schon lange als gesunde Alternative. Er ist reich an Kieselsäure, B-Vitaminen und punktet durch gute Backeigenschaften.

4. Khorasan (Triticum turanicum / Kamut®)Diese alte Weizenart ist besonders großkörnig, leicht süßlich im Geschmack und sehr eiweißreich. Kamut wird oft in der mediterranen und nahöstlichen Küche verwendet.

5. Waldstaudenroggen & UrgersteBeide sind uralte Getreideformen, die vor allem in kühleren Regionen angebaut wurden. Sie sind besonders widerstandsfähig und haben intensive, malzige Aromen.

Unterschiede zu modernen Getreidearten

Moderne Getreidesorten wurden auf hohe Erträge, Einheitlichkeit und maschinelle Ernte hin gezüchtet. Dabei gingen oft Inhaltsstoffe, Vielfalt und Geschmack verloren. Urgetreide hingegen:

  • hat komplexere Eiweißstrukturen,
  • enthält mehr sekundäre Pflanzenstoffe,
  • weist oft einen höheren Mineralstoff- und Ballaststoffgehalt auf,
  • ist weniger leistungsoptimiert, dafür robuster im natürlichen Anbau.

Ein gutes Beispiel ist Einkorn: Es bringt nur rund ein Drittel der Ernte von modernem Weizen, enthält aber bis zu doppelt so viel Carotinoide.

Ist Urkorn gesünder?

Hier lohnt sich ein differenzierter Blick. Urgetreide ist nicht per se „gesünder“, aber es hat einige ernährungsphysiologische Vorteile:

  • Mehr Mikronährstoffe wie Eisen, Zink, Magnesium
  • Mehr Ballaststoffe für eine bessere Verdauung
  • Höhere Vielfalt an Antioxidantien
  • Weniger Ertrag = mehr Geschmack

Zudem vertragen manche Menschen Urkornsorten besser als modernen Weizen, auch wenn sie nicht an Zöliakie leiden. Das liegt wahrscheinlich an der anderen Eiweißstruktur und der geringeren Verarbeitung.

Wichtig ist: Auch Urkorn enthält Gluten. Wer an echter Zöliakie leidet, sollte auch darauf verzichten.

Urgetreide in der modernen Ernährung

Immer mehr Menschen suchen in der Ernährung nach Authentizität, Ursprünglichkeit und Transparenz. In diesem Kontext erlebt Urkorn eine beeindruckende Wiederentdeckung. Es passt hervorragend zu einem Lebensstil, der auf Regionalität, biologische Landwirtschaft und Ganzheitlichkeit setzt.

Zahlreiche Biobäcker, Hofmühlen und auch größere Hersteller greifen das Potenzial von Urgetreide wieder auf. Dabei reicht die Produktpalette von Broten und Brötchen über Müslis und Teigwaren bis hin zu Getränken wie Bier und sogar fermentierten Spezialitäten.

Wer sich bewusst ernährt, profitiert bei Urkornprodukten oft von kurzen Zutatenlisten, vollwertiger Verarbeitung und weniger Zusatzstoffen. Viele traditionelle Rezepte kommen sogar mit lediglich Wasser, Salz, Sauerteig und Mehl aus – ideal also für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten oder sensiblen Verdauungssystemen.

Verarbeitung: Was muss man beachten?

Der Umgang mit Urgetreide unterscheidet sich in einigen Punkten von der Verarbeitung moderner Mehle. Die Körnerstruktur ist fester, der Glutengehalt anders zusammengesetzt, und auch der Feuchtigkeitsbedarf beim Teig kann variieren.

Einige Tipps für die Praxis:

  • Einkorn und Emmer benötigen oft etwas mehr Ruhezeit beim Gehen.
  • Dinkelteige neigen zur Überknetung – weniger ist hier mehr.
  • Für lockeres Brot sollte man lange Teigführungen oder Sauerteig nutzen.
  • Urgetreide lassen sich gut mit Saaten, Nüssen oder Trockenfrüchten kombinieren, um zusätzliche Aromen und Texturen zu erzeugen.

Ein kleiner Hinweis: Wer bisher nur mit hellem Weizenmehl gearbeitet hat, braucht möglicherweise etwas Geduld – aber der Geschmack und die Bekömmlichkeit lohnen den Lernprozess allemal.

Kulturelle Bedeutung und kulinarisches Erbe

In vielen Regionen Europas war Urkorn einst ein fester Bestandteil der bäuerlichen Küche. Emmer etwa wurde in Norditalien und im Alpenraum über Jahrhunderte genutzt. Auch die Ägypter kannten Einkorn und verwendeten es sowohl als Nahrungsmittel wie auch in religiösen Zeremonien.

Heute bemühen sich Initiativen wie Slow Food, verschiedene Erzeugergemeinschaften und biologische Züchtungsprojekte darum, das Wissen um Urgetreide zu erhalten und wieder in die moderne Küche zu bringen. Damit geht es nicht nur um Ernährung, sondern auch um den Erhalt von Biodiversität und kulinarischer Identität.

Die Rückbesinnung auf Urkorn ist also auch ein kultureller Akt: Wer uralte Getreidesorten verarbeitet, hält ein Stück lebendiger Geschichte in den Händen.

Wirtschaftliche Bedeutung & Herausforderungen

So wertvoll Urgetreide auch ist, der Anbau bringt Herausforderungen mit sich. Die Erträge sind niedrig, der Mähdreschereinsatz aufwendiger, die Marktpreise (noch) schwankend. Dennoch entsteht hier eine spannende Nische, in der kleinbäuerliche Betriebe, Biohöfe und handwerkliche Verarbeiter punkten können.

Durch den steigenden Wunsch nach transparenten, regionalen Produkten und den Trend zu Direktvermarktung, Abo-Kisten oder Hofläden entstehen neue Absatzmärkte. Auch Gastronomiebetriebe setzen zunehmend auf Urgetreide als geschmackliches Alleinstellungsmerkmal.

Mit gezielter Kommunikation, Transparenz und Qualitätsbewusstsein lassen sich Urkornprodukte sehr gut vermarkten – auch online.

Wissenschaftlicher Kontext: Was Studien zeigen

Zahlreiche Studien beschäftigen sich inzwischen mit Urgetreide und dessen Nährstoffprofil. Laut einer Untersuchung des FiBL Schweiz enthalten Urgetreidesorten tendenziell höhere Mengen an Antioxidantien, insbesondere Polyphenolen und Carotinoiden.

Einige Studien deuten zudem darauf hin, dass Menschen mit Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität Urgetreide besser vertragen. Der genaue Mechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, vermutet wird aber die weniger stark veränderte Struktur der Glutenbestandteile und das Fehlen technischer Enzyme.

HIER gehts zu den wissenschaftlichen Studien

Wichtig bleibt dennoch: Wer eine medizinisch gesicherte Zölliakie hat, muss auch Urgetreide vermeiden.

Tipps für Einsteiger*innen: So gelingt der Einstieg

Wer Urgetreide in die eigene Küche holen will, kann mit kleinen Mengen beginnen und verschiedene Sorten testen. Besonders empfehlenswert:

  • Frisches Mehl aus der Mühle oder direkt vom Hof beziehen
  • Einkorn oder Emmer als Basis für Pfannkuchen, Kekse oder Waffeln ausprobieren
  • Dinkel-Vollkornmehl statt Weizenmehl 405 in klassischen Rezepten einsetzen
  • Gekochte Körner von Emmer oder Kamut als Basis für Salate oder Bowls verwenden
  • Wer tiefer einsteigen möchte, findet in Backkursen mit Urgetreide oder entsprechenden Online-Communities viel Austausch.

Rezeptideen aus der Praxis: UrkornPuristen in der Küche

Wir bei UrkornPuristen stehen nicht nur hinter der Theorie – wir backen, kochen und experimentieren mit Urgetreide tagtäglich. Hier sind drei unserer liebsten Rezeptideen für Einsteiger*innen und Genießer:

1. Einkorn-Waffeln mit Honig und Joghurt

Ein wunderbar nussiges Aroma und eine lockere Konsistenz machen diese Waffeln zum Frühstücksstar. Das Rezept:

Alles vermengen, im heißen Waffeleisen ausbacken und mit frischem Obst und Nüssen servieren.

2. Emmer-Risotto mit Pilzen und ThymianStatt klassischem Reis sorgt geschliffener Emmer für Biss und Tiefe:

  • 200 g Emmerkörner über Nacht einweichen

  • Schalotten, Knoblauch, Pilze anbraten, Emmer zugeben
  • Mit Gemüsebrühe nach und nach aufgießen
  • Mit Thymian, Pfeffer, Zitronenzeste und Parmesan verfeinern

3. Dinkel-Sauerteigbrot für EinsteigerEinfach, aromatisch und ideal zum Üben mit Urgetreidemehl:

Alles vermengen, 6–8 Stunden gehen lassen, rundwirken und bei 230°C für 50-55 Minuten in einem Gusseisentopf backen.

viele weitere Rezepte findest auf unserem Rezept-Blog, den wir kostenlos unseren Kunden zur Verfügung stellen
HIER gehts zu den Rezepten

Interview: Warum wir Urgetreide lieben – Ein Gespräch mit Stefanie von UrkornPuristen

Frage: Stefanie, du bist Mitgründerin von UrkornPuristen und für Produktentwicklung und Marketing verantwortlich. Was fasziniert dich an Urgetreide?

Stefanie: Für mich ist Urgetreide ein echtes Herzensprojekt. Ich liebe die Geschichte dahinter, die Natürlichkeit – und vor allem die gesundheitlichen Aspekte. Als ausgebildete Ernährungsberaterin liegt mir besonders die Vollkornvariante am Herzen. Urkorn ist nährstoffreich, ursprünglich und einfach ehrlich. Es gibt nichts Überflüssiges, keine Zusätze – nur das, was die Natur vorgesehen hat.

Frage: Viele sagen, Urkorn sei schwerer zu verarbeiten. Wie siehst du das?

Stefanie: Es stimmt, man braucht ein bisschen Fingerspitzengefühl. Gerade Einkorn oder Emmer verhalten sich anders als klassischer Weizen. Aber genau das macht den Reiz aus. Wer einmal ein Sauerteigbrot mit Urkorn gebacken hat, merkt sofort: Das ist ein ganz anderer Charakter, viel tiefer im Geschmack.

Frage: Was empfiehlst du Menschen, die neu mit Urgetreide anfangen möchten?

Stefanie: Nutze unsere erprobten Rezepte und / oder starte mit Dinkel, der ist vielseitig und vertraut. Dann langsam an Emmer und Einkorn herantasten – besonders in süßen Backwaren machen sie eine tolle Figur. Und bitte nicht gleich aufgeben, wenn etwas nicht perfekt wird. Der Lernprozess gehört dazu, und mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür.

Frage: Warum ist Urgetreide aus deiner Sicht gerade heute so wichtig?

Stefanie: Weil es für Werte steht, die in unserer Zeit wieder relevanter werden: Vielfalt, Gesundheit, Regionalität und Qualität statt Quantität. Urkorn ist kein Hype – es ist eine Rückbesinnung auf das, was uns wirklich nährt. Und das möchten wir mit UrkornPuristen weitergeben.

Fazit: Mehr als ein Getreide

Urgetreide ist ein Symbol für eine andere Art des Wirtschaftens, Essens und Lebens. Es steht für Wertschätzung, Sorgfalt und Geschmack. Für alle, die sich für Herkunft, Gesundheit und Handwerk interessieren, bietet Urkorn eine faszinierende Alternative zu den Einheitsmehlsorten der Industrie.

Ob als Mehl im eigenen Brot, als Korn im Salat oder als Symbol für nachhaltige Landwirtschaft: Urgetreide hat das Potenzial, unsere Beziehung zu Nahrung neu zu gestalten.

Vielleicht beginnt diese Reise mit einem einzigen Korn – aber sie führt weit.

Klicke auf das Bild und hol dir die Infobroschüre über Urkorn

acht Broschüren aufgefächert auf Juteband. Daneben eine aufgeschlagene Broschüre. Zwei Seiten mit Getreidebeschreibung sind zu sehen

Quellen & Empfehlungen

Slow Food Deutschland e.V. – Urgetreide-Porträts

Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)

„Urgetreide – wiederentdeckt“ von Claudia Lühlmann (Sachbuch)

Gespräche mit Landwirten und Müllern aus der Region

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Über die Autorin

Stefanie Dehn

Hallo, ich bin Stefanie Dehn aus der Nähe von Heilbronn. Schon immer habe ich mich für gute, regionale Lebensmittel und eine ausgewogene Ernährung interessiert.

Als ausgebildete Ernährungsberaterin liegt mir dabei besonders das Urgetreide am Herzen. Schon lange habe ich meine Küche komplett auf Urgetreide umgestellt und bin von den wertvollen Inhaltsstoffen, der guten Verträglichkeit und dem tollen Geschmack begeistert.

Mein Wissen über Urgetreide – wie es im Körper wirkt, welche Vorteile es dir bringt, wie du es anwendest und was du alles daraus machen kannst – all das möchte ich gerne mit euch teilen.